Friedrich ist ein junger Spieler (aktuell U18), den ich von vielen Jugendwettkämpfen kenne und dessen Weg ich mit einiger Sympathie verfolgt habe. Vor 4 Jahren hatte ich gegen ihn einen ziemlich leichten Sieg errungen, doch inzwischen ist er mir klar über den Kopf gewachsen und so ging ich als Außenseiter in diese Partie.
1.e2-e4
e7-e5
2.Sg1-f3
Sb8-c6
3.Lf1-b5
[In Erinnerung an unsere frühere Partie hatte Friedrich das Evans-Gambit erwartet – aber das spiele ich gegen Leute seines Kalibers nicht mehr. 3.Lf1-c4
Lf8-c5
4.b2-b4
]
3…a7-a6
4.Lb5-a4
Sg8-f6
5.0-0
Sf6xe4
Offener Spanier – darauf war ich vorbereitet und es war mir ganz recht so.
6.d2-d4
b7-b5
7.La4-b3
d7-d5
8.d4xe5
Lc8-e6
9.c2-c3
Lf8-e7
10.Sb1-d2
Se4-c5
11.Lb3-c2
Le6-g4
Die Mega-Database kennt noch mehr als 500 Partien aus dieser Stellung. Meist wurde hier mit Tf1-e1 fortgesetzt. Ich entschied mich für einen radikalen Weg, die Fesselung des Springers zu beseitigen.
12.h2-h3!?
Der Zug für sich genommen kann nicht so schlecht sein. Selbst die Weltmeister Aljechin und Capablanca haben an dieser Stelle so gespielt.
12…Lg4-h5
13.g2-g4!?
Dieser Zug – der objektiv zweitklassig sein mag – verdeutlicht eine Besonderheit meiner Partien in diesem Turnier. In einem Mannschaftskampf hätte ich gewiss nicht so riskant gespielt. Hier geht es nur um mein eigenes Ergebnis, da kann man etwas mehr experimentieren.
13…Lh5-g6
14.Tf1-e1
d5-d4
Das hatte ich erwartet. Schwarz will sofort das bessere Zusammenspiel seiner Leichtfiguren zur Geltung bringen.
15.Lc2-e4
In schwieriger Stellung sicher eine brauchbare Idee, vor allem, wenn jetzt Schwarz zweimal tauschen müsste.
15…Sc5xe4
16.Sd2xe4
d4xc3
[Für das Weitertauschen hatte ich mir eine interessante Pointe zurecht gelegt. 16…Lg6xe4
17.Te1xe4
und nun: 17…d4xc3
18.Dd1-c2
Interessanterweise stellten wir später fest, dass Friedrich diese Idee überhaupt nicht auf der Rechnung hatte. 18…0-0
19.Dc2xc3
]
17.Se4xc3
0-0
18.Lc1-f4
Ziehen wir ein erstes Fazit: Beide Seiten haben die Entwicklung ihrer Figuren problemlos abgeschlossen. Schwarz steht etwas besser, weil er das Läuferpaar besitzt und weil Weiß seine Königsstellung schon gelockert hat. Auch das Zusammenspiel der schwarzen Figuren ist besser, wie sich sofort im nächsten Zug zeigt.
18…Sc6-b4
19.Te1-e2
Dd8xd1+
20.Ta1xd1
Tf8-d8
21.Te2-d2
Td8xd2
22.Td1xd2
Ta8-d8
Weiß konnte die Stellung etwas vereinfachen. Die bereits genannten Vorteile von Schwarz sind aber geblieben. Mit dem nächsten Zug habe ich meine Stellung dann auch nicht unbedingt verbessert.
23.e5-e6!?
Td8xd2
24.e6xf7+
Lg6xf7
25.Sf3xd2
c7-c5
26.a2-a4
Wenn Schwarz auf a4 schlägt, ist sein Vorteil praktisch dahin. [26.b2-b3?!
kam sehr in Betracht. Nicht in Frage kommt hingegen 26.Sc3-d1?
, was von Friedrichs Trainer empfohlen wurde. 26…Sb4-d3
27.Lf4-e3
Lf7xa2
]
26…Sb4-d3
[26…b5xa4?
27.Sc3xa4
]
27.Lf4-e3
b5-b4
28.Sc3-e4
c5-c4!?
[Sehr gut war auch 28…b4-b3!
mit völliger Lähmung der weißen Stellung. Schwarz würde dann schnell den Bauern b2 erobern.]
29.Le3-d4
Sd3-f4!
Ein wichtiger Zwischenzug, mit dem mein König weiter an den Rand gelockt wird.
30.Kg1-h2
Sf4-e2
31.Ld4-e5
Lf7-d5
32.f2-f4
Mit Blick auf die finale Wendung ist dies der Verlustzug – aber was sollte ich sonst sinnvolles spielen.
32…Ld5xe4
33.Sd2xe4
Nun folgt ein für mich völlig überraschender, aber außerordentlich starker Zug. Ich glaubte hier, ich hätte alles überstanden und könnte ein Remis ansteuern. Statt dessen findet Friedrich einen wunderschönen Gewinn.
33…Le7-f6!!
Den Zug hatte ich überhaupt nicht auf der Rechnung: Schwarz opfert im fortgeschrittenen Endspiel einen Bauern und ich kann sogar mit Schach schlagen. Trotzdem sichert er sich die entscheidende Herrschaft über das Feld c3 und damit den Partiegewinn.
34.Le5xf6
[Oder 34.Se4xf6+
g7xf6
35.Le5-d6
(35.Le5xf6
b4-b3
36.Kh2-g2
Kg8-f7
37.Lf6-e5
c4-c3
38.Le5xc3
Se2xc3
39.a4-a5
Sc3-d1
und Schwarz gewinnt.) 35…a6-a5
]
34…g7xf6
35.Se4xf6+
Kg8-f7
36.Sf6-d5
Es gibt keine aussichtsreichen Varianten mehr. [36.Sf6-e4
c4-c3
37.b2xc3
b4xc3
38.Se4xc3
Se2xc3
39.a4-a5
Sc3-e2
40.f4-f5
Se2-d4
41.Kh2-g3
Sd4-b3
42.Kg3-f4
Sb3xa5
; 36.Sf6-d7
c4-c3
37.b2xc3
b4xc3
38.Sd7-e5+
Kf7-f6
39.Se5-d7+
Kf6-e6
40.Sd7-c5+
Ke6-d5
41.Sc5-d3
Kd5-e4
]
36…c4-c3
37.b2xc3
b4-b3!
Weiß gab auf. Ich war über diese Niederlage nicht sauer. Gegen einen starken Spieler kann man verlieren, ohne einen wirklich groben Fehler zu machen. … und wenn der Gewinnweg auch noch ästethisch und kreativ anspricht, wie hier 33…Lf6, dann ist es fast schon schön, dagegen zu verlieren. 0-1