Ein lehrreiches Endspiel aus der BJEM U14

Bild Bei der Berliner Jugendmeisterschaft U14 wurden wir Zeuge eines sehr lehrreichen Turmendspiels. Beide beteiligte Spieler landeten später in der erweiterten Spitzengruppe – aus dieser Partie werden sie viel gelernt haben.
Wir steigen unmittelbar nach dem Übergang in ein Turmendspiel ein.

Weiß hat ein Problem

Sehen wir zunächst, wie sich die Partie in den nächsten Zügen entwickelte.
Weiß will seinen c-Bauern verteidigen

Die passive Aufstellung der Türme hat Weiß in eine sehr unglückliche Stellung geführt. Die Partie muss deswegen noch nicht verloren gehen, aber es dürfte klar sein, dass sich eine solche unbequeme Stellung sehr schwer spielen lässt. Wir werden nun sehen, dass es durchaus die Möglichkeit zu einem aktiven Vorgehen gab.

Weiß setzt aktiv fort

Wir haben gesehen, dass Weiß mit dem passiven Herangehen wie in der Partie nicht glücklich wird. In der Ausgangsstellung hätte sich dem Spieler aber die Möglichkeit geboten, selbst aktiv zu werden.
Die aktive Alternative
Mit zwei ganz einfachen Zügen hat Weiß die Stellung grundlegend gewandelt. Nun ist er derjenige, der aktiv spielt und Schwarz steht vor der schwierigen Entscheidung, wie er sich verhalten soll. Dass Weiß einen Bauern weniger hat (wie ja in der Partiefortsetzung auch), spielt gar keine Rolle.

Sehen wir also, vor welcher Wahl Schwarz nun steht:

Schwarz versucht, aktiv zu bleiben

Wenn Schwarz die 7. Reihe aufgibt, kann er nicht auf Erfolg hoffen.
Schwarz wird sofort aktiv
Wir haben gesehen, dass sich Schwarz auf keinen Fall leisten kann, die Bauer der 7. Reihe ihrem Schicksal zu überlassen.

Schwarz findet das richtige Augenmaß zwischen Aktivität und Sicherheit

Eine interessante Möglichkeit für Schwarz ergibt sich, wenn er zunächst die 7. Reihe verteidigt, dann aber neue aktive Ideen entwickelt.
Schwarz verteidigt zunächst die Bauern der 7. Reihe
Mit einer geschickten Kombination aus Sicherung und aktivem Spiel kann der Nachziehende eine chancenreiche Stellung erlangen.

Wir sehen, dass manchmal eine vorübergehende Passiv-Stellung notwendig sein kann. Doch dies darf nicht von Dauer sein. Aus der passiven Aufstellung heraus muss nach neuen Möglichkeiten gesucht werden, die eigenen Figuren wieder ins Spiel zu bringen.

Die Suche nach einer zweiten Schwäche

Wir lassen unsere Spieler nun eine Weile allein und blenden uns später in dieses Endspiel wieder ein.
Es ist nicht viel geschehen: Noch immer bewacht ein passiver weißer Turm den Freibauern c3. Andererseits konnte auch Schwarz keine großen Fortschritte machen. Das ist auch kein Wunder, denn oft genügt eine einzige eigene Stärke (= eine Schwäche in der Stellung des Gegners) nicht zum Gewinn. Man muss nach einer zweiten Schwäche Ausschau halten. Dann wird es für den Verteidiger unmöglich sein, beide Probleme zu lösen. In unserer Partie ergab sich nun kurz nacheinander zweimal die Chance, am Königsflügel zusätzliche Schwächen aufzudecken.
Schwarz sollte auf eine weitere Schwäche spielen
Wenig später konnte Schwarz erneut über die h-Linie aktiv werden.
Und noch mal über die h-Linie
War also die erste Chance noch relativ vage und der Vorteil nur gering, hätte sich hier für Schwarz sehr schnell eine klare Gewinnstellung ergeben.

Das oberste Gebot: Aktiv spielen !!!

Dank der passiven Spielweise von Weiß ergaben sich für den Nachziehenden mehrfach verschiedene Gewinnchancen. Leider ließ er sie ungenutzt verstreichen – so auch an der folgenden Stelle, wo aktives Spiel mit dem König angezeigt war.
Der König ist eine starke Figur – wenn man ihn richtig einsetzt
Nachdem Schwarz diese Gelegenheit nicht beim Schopfe packte, sind wir in einer ausgeglichenen Stellung angekommen.

Ein tragisches Ende

Es kommt, wie es kommen muss: Schwarz hat viele Chancen in diesem Endspiel ausgelassen, weil er elementare Grundsätze (aktives Spiel, Spiel auf zwei Schwächen) außer Acht ließ. In Verlustgefahr ist er nie gekommen, schon weil sich Weiß sehr passiv verhielt.
Doch ganz zum Schluss nimmt die Partie noch eine paradoxe Wendung: Schwarz erobert schließlich den weißen a-Bauern – verliert aber die Partie.
Das tragische Ende
Wie konnte das passieren?
Ja, es ist gar nicht so selten, dass durch einen simplen Abtausch der Wert der Stellung völlig verändert wird. Bevor man vom Turm- ins Bauernendspiel überleitet, muss man natürlich abschätzen, wie dieses Bauernendspiel zu bewerten ist.

Fazit

Wie so oft sind es die Fehler, aus denen wir das meiste lernen können. Die Partie hat schließlich einen Ausgang genommen, der mit dem lange Zeit bestehenden Kräfteverhältnis nichts zu tun hat.
Aber: Während Schwarz viele Chancen auf aktives Spiel ausgelassen hat, nutzte der Anziehende die erste echte Gelegenheit, selbst wenn diese sich mehr zufällig und glücklich ergab.

Wir nehmen also die wichtigsten Erkenntnisse mit:




© Weitergabe und -verwendung nur nach ausdrücklicher Zustimmung.
Thomas Binder, 2009