Wir wissen bereits um die besondere Bedeutung des geometrischen Motivs der Opposition im Bauernendspiel. Mit diesem
Mittel wird der Gegner in einen unangenehmen Zugzwang gebracht, wonach er z. B. die Bewachung eines eigenen Bauern aufgeben
oder das Vordringen unseres Königs erlauben muss.
Besonders wichtig ist die Opposition daher im Kampf um die Schlüsselfelder – also jene Felder, deren Beherrschung den
Vormarsch eines Bauern garantiert.
Die Oppositionslehre erleichtert es uns, Stellungen in solchen Endspielen zu bewerten und die richtigen Pläne zu finden, ohne dass man lange Zugfolgen genau berechnen müsste.
Der Begriff der Opposition (= Gegenüberstellung) bezeichnet eine Stellung, in welcher sich die beiden Könige (mehr
oder weniger) direkt gegenüber stehen. Für den am Zug befindlichen Spieler ist es nicht möglich, seine Stellung weiter zu
verbessern. Wenn er keine sinnvollen weiteren Züge (Bauernzüge) hat, gerät er in Zugzwang. Er muss die Opposition aufgeben
und gerät dadurch in der Regel entscheidend in Nachteil.
Derjenige Spieler, der durch seinen Zug die Opposition herbeiführte, "besitzt (hat) die Opposition", sein Gegner muss
im Zugzwang die "Opposition aufgeben / verlieren".
Das Bild zeigt ein Beispiel senkrechter Opposition. Wenn es um das Vordringen des Königs und Raumgewinn geht, ist dies die mit Abstand wichtigste Form. Aber Opposition kann auch waagerecht (die Könige stehen auf der gleichen Reihe) und sogar diagonal auftreten.
Das oben gezeigte Stellungsbild zeigt den Fall der Nahopposition. Zwischen den beiden Königen liegt genau ein Feld.
Näher können sich die Monarchen schon aufgrund der Schachregeln nicht kommen.
Für die Berechnung von Zugfolgen im Bauernendspiel sind aber auch die mittlere und ferne Opposition von Bedeutung. Bei der
mittleren Opposition (links) umfasst der Zwischenraum 3 Felder, bei der Fernopposition (Bild rechts) sind es 5 Felder.
Wir wollen uns nun zu den vorgestellten Oppositionsarten einige instruktive Beispiele anschauen.
In den folgenden Endspielen gewinnt die überlegene Seite durch konsequente Ausnutzung der Nahopposition.
Lehrbeispiel Nahopposition
L'Hermet – Johnsteyn, 1877 – Weiß am Zug, hält remis
Wir sehen jetzt, wie die Berücksichtigung der mittleren Opposition es erleichtert, ein kompliziertes Endspiel richtig zu
bewerten.
Schon die erste Studie lohnt genaue Betrachtung wegen der verschiedenen Oppositionsmanöver auch in den fehlgeschlagenen
Varianten.
Studie von Neustadtl, 1890
Sehr interessant ist die folgende Partiestellung. Das Bild kommt uns sehr bekannt vor und sollte ein in der Praxis recht
häufiges Motiv sein. Überraschend gibt es für Schwarz genau einen Gewinnweg, den man wohl nur findet, wenn man die Lehre
von der Opposition richtig einsetzt.
Kranki – Lange, 1940
In der folgenden, von Ex-Weltmeister Botwinnik entworfenen Studie gewinnt Weiß mit genauen Oppositionszügen, obwohl er
zunächst einen Bauern weniger hat.
Studie von Botwinnik, 1934
Auf den ersten Blick einfach, aber doch sehr instruktiv und beeindruckend klar ist das folgende Studienbeispiel. Es
demonstriert, wie durch Übergang von der fernen zur mittleren und schließlich zur nahen Opposition der Sieg erzwungen wird.
Wir beschränken uns auf die Hauptvarianten.
Studie von Eduard Lasker, 1915
Auch im zweiten Beispiel wollen wir uns auf die Hauptvarianten konzentrieren. Der Autor ist nicht bekannt.
Lehrbeispiel zur Fernopposition
Alle Beispiele haben gezeigt, dass es letztlich darauf ankommt, die Nahopposition zu erreichen. Neben der klassischen
mittleren und entfernten Opposition gibt es jedoch auch weitere Stellungen, aus denen man letztlich den
Übergang in die Nahopposition erreichen kann. Es genügen also bereits diese Stellungen, um das jeweils angestrebte Ziel
(Remis oder Gewinn) zu erreichen.
Hierzu definiert Rainer Staudte in seiner Arbeit ein Rechteck, welches von den Standfeldern der beiden Könige
und den entsprechenden Linien bzw. Reihen begrenzt wird – siehe Bild links. Haben nun alle vier Eckfelder dieses Rechtecks
die gleiche Farbe, so besteht Opposition, im anderen Fall (rechtes Bild) nicht.
Für die Anwendung des erweiterten Oppositionsbegriffs wollen wir uns auf eine Studie beschränken.
Studie von Leick, 1937
Inhalt und Partiebeispiele dieser Arbeit basieren auf einem Dokument des erfolgreichen und engagierten sächsischen Schachtrainers Rainer Staudte. Wir danken Herrn Staudte für die Genehmigung, sein Material hier zu verwenden.
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